Wissen
Oleksandra Bahmet
Japanische Kaffeekultur
– Tradition trifft auf Moderne
Während Japan für seine jahrhundertealte Teekultur berühmt ist, hat sich das Land in den letzten Jahrzehnten auch zu einem wichtigen Akteur in der globalen Kaffeekultur entwickelt. Trotz der späten Einführung von Kaffee in Japan entwickelte das Land schnell eine eigene, einzigartige Kaffeekultur, die von handwerklicher Präzision, Liebe zum Detail und einem tiefen Respekt für die Zubereitung und den Genuss des Kaffees geprägt ist. Dieser Artikel beleuchtet die Geschichte und die verschiedenen Facetten der japanischen Kaffeekultur, die heute weltweit Aufmerksamkeit erregt.
Historische Wurzeln: Kaffee in Japan
Kaffee wurde erstmals im 18. Jahrhundert durch niederländische Händler nach Japan eingeführt, die auf der künstlichen Insel Dejima vor Nagasaki ansässig waren. Diese Händler brachten den Kaffee mit, aber es dauerte bis ins 19. Jahrhundert, als Japan seine Abschottungspolitik beendete und sich westlichen Einflüssen öffnete, bevor Kaffee allmählich an Popularität gewann. Die erste dokumentierte Eröffnung eines japanischen Kaffeehauses, „Kahiichakan“, fand 1888 in Tokio statt. Zu dieser Zeit blieb der Kaffeekonsum jedoch auf die städtische Elite beschränkt.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Kaffee in der breiten Bevölkerung Fuß zu fassen. Dies war auf die wachsende westliche Präsenz und den Einfluss der US-Besatzung zurückzuführen, die den Konsum von Kaffee popularisierte. Die amerikanischen Soldaten brachten Kaffeekultur und -geräte mit, und bald darauf begannen in Japan mehr Kaffeehäuser zu eröffnen.
Kissaten: Wo die Tradition des Kaffees lebt
Die Kissaten sind das Herzstück der traditionellen japanischen Kaffeekultur. Diese Kaffeehäuser tauchten bereits in den frühen 1920er Jahren auf und spielten eine wichtige Rolle in der Etablierung des Kaffees als Genussmittel. Ein Kissaten ist weit mehr als nur ein Ort, um schnell einen Kaffee zu trinken. Es ist ein Raum der Ruhe und Entspannung, in dem das Augenmerk auf die Zubereitung und den Geschmack des Kaffees liegt. Viele Kissaten setzen auf traditionelle Brühmethoden wie den Siphon-Kaffee, bei dem Wasser und Dampf verwendet werden, um ein außergewöhnlich reines und aromatisches Kaffeeerlebnis zu schaffen.
Die Kunst des Handgebrühten Kaffees: Der „Pour-Over“-Ansatz
Ein zentraler Aspekt der japanischen Kaffeekultur ist die manuelle Kaffeezubereitung, insbesondere die „Pour-Over“-Methode. Diese Technik erfordert Präzision und Hingabe. Die vielleicht bekannteste Methode in Japan ist der Hario V60-Filter. 1957 von der Firma Hario entwickelt, ermöglicht die konische Form des Filters eine optimale Wasserzirkulation und Extraktion, was zu einem klaren, ausgewogenen Kaffeegeschmack führt. In vielen japanischen Cafés wird großer Wert darauf gelegt, dass jeder Schritt des Brühvorgangs perfekt ausgeführt wird – vom Mahlen der Bohnen bis hin zur präzisen Wassertemperatur und -verteilung.
Der Siphon-Kaffee ist ebenfalls eine weit verbreitete und besonders kunstvolle Zubereitungsmethode in Japan. Er wurde 1840 in Europa erfunden, erlebte aber in Japan eine Renaissance. Bei dieser Methode wird Wasser in einem Glasbehälter erhitzt, wodurch es in einen oberen Behälter steigt und dort den Kaffee mit seiner idealen Temperatur brüht. Der Prozess sieht wie ein alchemistisches Experiment aus und erfordert großes Geschick, aber das Ergebnis ist eine außergewöhnlich saubere und aromatische Tasse Kaffee.
Konbini Kaffee: Der Massentrend mit Qualität
Während Kissaten für ihre ruhige Atmosphäre und handwerkliche Zubereitung geschätzt werden, hat sich in den letzten Jahren der „Konbini-Kaffee“ (Convenience-Store-Kaffee) zu einem Massenphänomen entwickelt. Japans Konbini wie 7-Eleven, Lawson und FamilyMart bieten frischen Kaffee auf Knopfdruck.
Besonders bemerkenswert ist, dass die Nachfrage nach gutem Kaffee auch in diesem Segment so hoch ist, dass die Qualität stetig verbessert wird. Konbinis bieten verschiedene Sorten und Stärken an, um den Geschmack der Kunden zu treffen, und immer häufiger werden nachhaltige und fair gehandelte Kaffeebohnen verwendet.
Der Aufstieg der Third-Wave-Coffee-Bewegung in Japan
In den 2000er Jahren fand die sogenannte „Third-Wave-Coffee“-Bewegung auch in Japan Einzug. Während sich die First Wave auf die Verbreitung von Massenkaffee und die Second Wave auf die Popularisierung von Cafés wie Starbucks konzentrierte, steht die Third Wave für einen bewussten, handwerklichen Umgang mit Kaffee. Der Fokus liegt auf Qualität, Herkunft der Bohnen und der Kunst des Röstens.
In Städten wie Tokio, Kyoto und Osaka haben sich zahlreiche Third-Wave-Cafés etabliert, die auf direkten Handel mit Kaffeebauern setzen und seltene, hochwertige Bohnen verwenden. Cafés wie Fuglen, Onibus Coffee und Nozy Coffee sind nur einige der vielen Orte, die diesen Trend vorantreiben. Sie legen Wert auf eine perfekte Extraktion und experimentieren mit verschiedenen Brühmethoden, um den besten Geschmack aus jeder Bohne herauszuholen.
Instant- und Dosenkaffee: Japans Innovation in der Kaffeeverarbeitung
Japan ist auch ein Pionier in der Entwicklung von Instant- und Dosenkaffee. Die Ueshima Coffee Company (UCC) brachte 1969 den weltweit ersten Dosenkaffee auf den Markt. Heute gibt es in Japan eine riesige Auswahl an Dosenkaffee, der in Verkaufsautomaten angeboten wird. Diese Getränke sind in verschiedenen Varianten erhältlich – von süßem Milchkaffee bis hin zu schwarzem Kaffee ohne Zucker – und können sowohl heiß als auch kalt getrunken werden.
Dieser Trend hat sich so weit verbreitet, dass jährlich Milliarden von Dosenkaffees verkauft werden. Der Erfolg dieser Produkte liegt nicht nur in ihrer Bequemlichkeit, sondern auch in der kontinuierlichen Verbesserung der Rezepturen, die eine überraschend gute Qualität bieten.
Fazit
Die japanische Kaffeekultur ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sich Tradition und Moderne harmonisch miteinander verbinden lassen. Ob in einem traditionellen Kissaten mit Siphon-Kaffee, bei einem schnellen, aber qualitativ hochwertigen Konbini-Kaffee oder in einem hippen Third-Wave-Café – Japan bietet eine unglaublich vielfältige Kaffeelandschaft. Die Liebe zum Detail, die Hingabe zur Perfektion und der Respekt vor dem Handwerk machen die japanische Kaffeekultur zu einer der faszinierendsten weltweit.
Quellen: The Curiosity
Fotos: Audrey Fiodorenko, Alina Prykhodko kapipa.tap